MaRisk BTO 1.3 Anforderungen an Verfahren zur Früherkennung von Risiken
MaRisk BTO 1.3.1 Verfahren zur Früherkennung von Risiken
1. Das Verfahren zur Früherkennung von Risiken dient insbesondere der rechtzeitigen Identifizierung von Kreditnehmern, bei deren Engagements sich erhöhte Risiken abzuzeichnen beginnen. Damit soll das Institut in die Lage versetzt werden, in einem möglichst frühen Stadium Gegenmaßnahmen einleiten zu können (z. B. Durchführung von Forbearance-Maßnahmen, Intensivbetreuung von Engagements).
2. Für diese Zwecke hat das Institut auf der Basis quantitativer und qualitativer Risikomerkmale Indikatoren für eine frühzeitige Risikoidentifizierung zu entwickeln.
3. Das Institut kann bestimmte, unter Risikogesichtspunkten festzulegende Arten von Kreditgeschäften oder Kreditgeschäfte unterhalb bestimmter Größenordnungen von der Anwendung des Verfahrens zur Früherkennung von Risiken ausnehmen. Die Funktion der Früherkennung von Risiken kann auch von einem Risikoklassifizierungsverfahren wahrgenommen werden, soweit es eine Früherkennung von Risiken ermöglicht.
Ausnahmen bei Krediten über eine Hausbank
Von der Einrichtung eines Verfahrens zur Früherkennung von Risiken kann abgesehen werden, wenn ein Zugriff auf die für eine Risikofrüherkennung erforderlichen Daten aufgrund objektiver Gegebenheiten eingeschränkt ist. Solche Konstellationen liegen dann vor, wenn die Kreditgeschäfte über ein drittes Institut initiiert und im Weiteren von diesem betreut werden (z. B. Hausbank im Kreditgeschäft der Förderbanken oder auch im Kreditgeschäft der Bürgschaftsbanken). Das kreditierende Institut hat dabei sicherzustellen, dass es über wesentliche Vorkommnisse bei dem Kreditnehmer informiert wird.
Risikoklassifizierungsverfahren und Früherkennung von Risiken
Ein Risikoklassifizierungsverfahren hat unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte insbesondere folgende Komponenten zu enthalten, um gleichzeitig als Verfahren zur Früherkennung von Risiken dienen zu können:
– Die dem Verfahren zugrunde liegenden Indikatoren (z. B. Kontoumsätze, Scheckrückgaben) sollten dazu geeignet sein, dass sich abzeichnende Risiken möglichst frühzeitig erkannt werden können („indikatoren-bezogene Komponente“),
– auf der Grundlage der Indikatoren sollte eine laufende Identifizierung von sich abzeichnenden Risiken möglich sein („zeitraumbezogene Komponente“) und
– Signale des Verfahrens zur Früherkennung von Risiken sollten ferner zeitnah zu geeigneten Maßnahmen des Instituts führen (z. B. Intensivierung des Kundenkontaktes, Hereinnahme neuer Sicherheiten, Tilgungsaussetzungen), so dass sich Risiken möglichst nicht in Form von Verlusten materialisieren („prozessbezogene Komponente“).
MaRisk BTO 1.3.2 Behandlung von Forbearance
1. Bei der Festlegung der Kriterien für den Übergang in die Intensivbetreuung und in die Problemkreditbearbeitung hat das Institut auch diejenigen Engagements zu berücksichtigen, bei denen Zugeständnisse zugunsten des Kreditnehmers gemacht wurden (Forbearance-Maßnahmen). Ziel von Forbearance-Maßnahmen ist ein tragfähiger, nicht notleidender Rückzahlungsstatus.
Definition von Forbearance
Die Definition von Forbearance richtet sich nach den der Definition für das aufsichtliche Meldewesen.
2. Im Hinblick auf die Forbearance-Maßnahmen hat eine Richtlinie implementiert zu seien, die mindestens folgende Punkte beinhaltet:
a) Prozesse und Verfahren zur Gewährung von Forbearance-Maßnahmen, einschließlich der Zuständigkeiten und Verfahren zur Entscheidungsfindung,
b) Beschreibung der verfügbaren Forbearance-Maßnahmen einschließlich der in den Verträgen enthaltenen Maßnahmen,
c) Informationsanforderungen zur Prüfung der Tragfähigkeit der Maßnahmen,
d) Dokumentation der gewährten Maßnahmen,
e) Prozess und Messgrößen für die Überwachung der Effizienz und Wirksamkeit.
Die Richtlinie ist regelmäßig vom Institut zu überprüfen.
Forbearance-Richtlinie
Die Richtlinie kann auch standardisierte Forbearance-Lösungen z. B. für homogene Portfolios mit weniger komplexen Engagements beinhalten.
3. Das Institut hat Kriterien festzulegen, anhand derer eine angemessene Einstufung und ggf. Umgliederung von Forborne-Risikopositionen als notleidend oder nicht-notleidend möglich ist. Bei der Umgliederung von Forborne- und notleidenden Risikopositionen ist ein geeigneter Gesundungszeitraum zu berücksichtigen. Für eine Änderung bzw. einen Wechsel des Einstufungsstatus ist die Durchführung einer Analyse der finanziellen Lage des Kreditnehmers erforderlich.
Forborne exposures (Gestundete / Forborne-Risikopositionen)
Eine Risikoposition kann als Forborne eigestuft werden, wenn der Kreditnehmer finanzielle Schwierigkeiten hat und deshalb Zugeständnisse gemacht werden.
Bei der Einstufung der Risikopositionen kann grundsätzlich zwischen notleidenden (non-performing forborne exposures) und nicht notleidenden (performing forborne exposures) Forborne-Risikopositionen, sowie notleidenden Risikopositionen (non-performing exposures) unterschieden werden.
Sofern eines der dargestellten Kriterien zutrifft, ist eine Forborne- Risikoposition als notleidend einzustufen:
– Die Forborne-Risikoposition basiert auf einem unangemessenen Zahlungsplan,
– Die regulären Rückzahlungsraten werden aufgrund von Vertragsbedingungen so aufgeschoben, dass auf Basis dieser Rückzahlungsraten keine Beurteilung für eine angemessene Einstufung als notleidend möglich ist,
– Die ausgebuchten Forderungsbeträge übersteigen die kumulierten Verluste aus Kreditrisiken für vergleichbare Risikopositionen.
Im Rahmen der Prüfung der Aufhebung des Status „notleidend“ sind auch die Auswirkungen dieser Aufhebung auf weitere Risikopositionen des Schuldners, die nicht Gegenstand von Forbearance-Maßnahmen sind, zu berücksichtigen. Vertragsbedingungen, nach denen die Rückzahlungsfrist verlängert wird, sollten als Bekräftigung der Einstufung der Forborne-Risikopositionen als notleidend angesehen werden.
4. Die für die Durchführung von Forbearance-Maßnahmen erforderliche Beurteilung finanzieller Schwierigkeiten eines Kreditnehmers hat ausschließlich auf Grundlage seiner Situation und nicht unter Berücksichtigung von bereitgestellten Sicherheiten oder Garantien zu erfolgen.
Änderungen der Vertragsbedingungen
Das Institut hat eine Beurteilung der finanziellen Lage des Kreditnehmers durchzuführen, wenn sich Änderungen der Vertragsbedingungen auf das Zahlungsverhalten auswirken. Es ist zwischen Nachverhandlungen bei Kreditnehmern, die sich nicht in finanziellen Schwierigkeiten befinden und Forbearance-Maßnahmen, die Kreditnehmern in finanziellen Schwierigkeiten gewährt werden, zu unterscheiden.
5. Das Institut hat Forbearance-Maßnahmen nach tragfähigen Maßnahmen, die zur Verringerung der Risikoposition des Kreditnehmers beitragen, und nach nicht tragfähigen Maßnahmen zu unterscheiden. Dabei können in Abhängigkeit von der Art und der Laufzeit der Kredite sowohl kurzfristige als auch langfristige Forbearance-Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, wobei der Zeitraum von maximal zwei Jahren für die Durchführung der kurzfristigen Maßnahmen grundsätzlich nicht überschritten werden sollte.
Bewertung der Tragfähigkeit von Forbearance-Maßnahmen
Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit von Forbearance-Maßnahmen hat das Institut insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
a) Rückzahlungsfähigkeit und somit auch die Kapitaldienstfähigkeit,
b) Eine Verringerung des Kreditsaldos ist mittel- bis langfristig zu erwarten,
c) Kurzfristige Forbearance-Maßnahmen werden vorübergehend angewandt, sofern nachweisbar ist, dass der Kreditnehmer nach Ablauf der kurzfristigen vorübergehenden Vereinbarungen in der Lage ist, den ursprünglichen oder geänderten Betrag zurückzuzahlen,
d) Die Maßnahme führt nicht dazu, dass für dieselbe Risikoposition mehrere aufeinanderfolgende Forbearance-Maßnahmen gewährt werden.
6. Die Qualität von Forbearance-Maßnahmen, die Effizienz des Prozesses für deren Gewährung und die Wirksamkeit der gewährten Maßnahme sind vom Institut in angemessenen Abständen zu überwachen.
Überwachung von Forbearance-Maßnahmen
Für die Überwachung können folgende Messgrößen nach Portfolio und Art der Forbearance-Maßnahmen verwendet werden:
a) Gesundungsquote von Forbearance,
b) Zahlungseingangsraten aus Forborne-Risikopositionen,
c) Teilabschreibungen, die aus Gewährung einer Forbearance-Maßnahme resultieren können.