Forbearance

Forbearance

Vorrangiges Ziel der Gewährung von Forbearance-Maßnahmen ist es, Kreditnehmern mit dem Status „notleidend“ den Weg aus diesem Status zu ebnen bzw. zu vermeiden, dass andere Kreditnehmer in den Status „notleidend“ abrutschen. Forbearance-Maßnahmen sollten stets darauf ausgerichtet sein, den Schuldner in die Lage zu versetzen, seinen Kredit langfristig zurückzuzahlen.

Die aufsichtlichen Erfahrungen haben jedoch vielfach gezeigt, dass Forbearance-Lösungen, die Banken Kreditnehmern in finanziellen Schwierigkeiten gewähren, diesem Ziel nicht immer gerecht werden und notwendige Schritte zur Bewältigung von Problemen im Zusammenhang mit der Aktivaqualität verzögern und zu einer falschen bilanziellen Darstellung der Aktivaqualität führen können. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Forbearance-Maßnahmen wiederholten Zahlungsaufschub umfassen, das grundlegende Problem der Überschuldung eines Kreditnehmers gemessen an seiner Rückzahlungsfähigkeit jedoch außer Acht lassen.

Die Aufsicht erwartet, dass Banken klar definierte und am Konzept der Tragfähigkeit orientierte Forbearance-Richtlinien implementieren und Kreditnehmer, deren Finanzlage nicht tragfähig ist, zeitnah erfassen.

Forbearance-Optionen und ihre Tragfähigkeit

Im Hinblick auf Forbearance-Lösungen ist es sinnvoll, zwischen kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden. Die meisten Lösungen werden aus einer Kombination verschiedener Forbearance-Maßnahmen bestehen, die sich über unterschiedliche Zeiträume erstrecken und einen Mix aus kurz- und langfristigen Optionen bilden dürften.

Kurzfristige Forbearance-Maßnahmen sind definiert als vorübergehend umstrukturierte Rückzahlungsbedingungen mit dem Ziel, finanzielle Schwierigkeiten kurzfristig zu beseitigen, ohne jedoch Zahlungsrückstände zu bereinigen (außer in Verbindung mit geeigneten langfristigen Maßnahmen). Kurzfristige Maßnahmen sollten grundsätzlich nicht länger als zwei Jahre – bei Projektfinanzierungen und dem Bau von Gewerbeimmobilien nicht länger als ein Jahr – dauern.

Kurzfristige Forbearance-Maßnahmen sollten in Betracht gezogen und angeboten werden, wenn der Kreditnehmer die beiden folgenden Kriterien erfüllt:

• Er ist von einem identifizierbaren Ereignis betroffen, das zu vorübergehenden Liquiditätsengpässen geführt hat. Dieses Ereignis ist formell (nicht auf der Grundlage von Vermutungen) anhand schriftlicher Unterlagen nachzuweisen, wobei anhand bestimmter Nachweise zu belegen ist, dass sich die Einkommenssituation des Kreditnehmers kurzfristig erholen wird oder dass die Bank zu dem Schluss gekommen ist, dass eine langfristige Forbearance-Lösung aufgrund einer vorübergehenden finanziellen Unsicherheit allgemeiner oder kreditnehmerspezifischer Art nicht möglich war.

• Er unterhält nachweislich eine gute finanzielle Beziehung zur Bank (einschließlich erheblicher Tilgungszahlungen vor dem Ereignis) und zeigt sich eindeutig kooperationsbereit.

Bei jeder Forbearance-Lösung sollte vertraglich geregelt sein, dass die Bank berechtigt ist, die vereinbarten Forbearance-Maßnahmen zu überprüfen, falls sich die Situation des Kreditnehmers verbessert und somit für die Bank günstigere Konditionen (von den Forbearance-Konditionen bis hin zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen) durchgesetzt werden können. Im Hinblick auf Kreditnehmer, die die Forbearance-Vereinbarung nicht erfüllen (z. B. hinsichtlich zusätzlicher Sicherheiten), sollten die Banken erwägen, strenge Konsequenzen in die Vertragsbedingungen aufzunehmen.

Tragfähige und nicht tragfähige Forbearance

Banken und Aufsichtsbehörden müssen klar zwischen tragfähigen Forbearance-Lösungen, also solchen, die tatsächlich zu einer Verringerung des Kreditsaldos des Kreditnehmers beitragen, und nicht tragfähigen Forbearance-Lösungen unterscheiden.

Die folgende Auflistung enthält allgemeine aufsichtliche Hinweise zur Einstufung als tragfähige Forbearance-Lösung (weitere Empfehlungen zu individuellen Forbearance-Optionen enthält die Tabelle weiter unten):

• Eine Forbearance-Lösung mit langfristigen Forbearance-Maßnahmen ist grundsätzlich nur dann als tragfähig zu betrachten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

• Das Institut kann (anhand plausibler dokumentierter Finanzdaten) nachweisen, dass sich der Kreditnehmer die Forbearance-Lösung realistischerweise leisten kann.

• Der Ausgleich von Zahlungsrückständen ist umfassend berücksichtigt, und mittel- bis langfristig steht eine erhebliche Verringerung des Kreditsaldos des Kreditnehmers zu erwarten.

• Wurden für einen Kredit bereits Forbearance-Lösungen, einschließlich langfristiger Forbearance-Maßnahmen, gewährt, so sollte die Bank für zusätzliche interne Kontrollen sorgen, die sicherstellen, dass die anschließende Forbearance-Behandlung den unten aufgeführten Tragfähigkeitskriterien entspricht. Diese Kontrollen sollten mindestens dafür sorgen, dass die Risikokontrollfunktion vorab ausdrücklich über die betreffenden Fälle in Kenntnis gesetzt wird. Darüber hinaus ist die ausdrückliche Genehmigung des zuständigen obersten Beschlussorgans (z. B. NPL-Ausschuss) einzuholen.

• Eine Forbearance-Lösung mit kurzfristigen Forbearance-Maßnahmen sollte in der Regel nur dann als tragfähig gelten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

• Das Institut kann (anhand plausibler und dokumentierter Finanzdaten) nachweisen, dass sich der Kreditnehmer die Forbearance-Lösung leisten kann.

• Kurzfristige Maßnahmen werden tatsächlich nur vorübergehend angewandt, und das Institut hat sich davon überzeugt und kann anhand plausibler Finanzdaten belegen, dass der Kreditnehmer imstande ist, nach dem Ablauf der kurzfristigen vorübergehenden Regelung den ursprünglichen oder vereinbarten geänderten Betrag an Kapital und Zinsen vollständig zurückzuzahlen.

• Die Lösung führt nicht dazu, dass für dieselbe Risikoposition mehrere aufeinanderfolgende Forbearance-Maßnahmen gewährt werden.

Wie aus den aufgeführten Kriterien hervorgeht, sind in jeder Tragfähigkeitsprüfung die finanziellen Merkmale des Schuldners und die zum gegebenen Zeitpunkt zu gewährende Forbearance-Maßnahme zu berücksichtigen. Zudem sollte die Tragfähigkeitsprüfung unabhängig davon erfolgen, auf welcher Grundlage die Forbearance gewährt werden soll (z. B. Inanspruchnahme von vertraglichen Forbearance-Klauseln durch den Schuldner, bilaterale Verhandlungen über Forbearance zwischen Schuldner und Bank, öffentliches Forbearance-Programm für alle in einer bestimmten Situation befindlichen Schuldner).

Liste der gängigsten Forbearance-Maßnahmen

Wie zuvor erwähnt, stellen die meisten Forbearance-Lösungen eine Kombination verschiedener Maßnahmen dar. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die gängigsten kurz- und langfristigen Forbearance-Maßnahmen und enthält weitere Hinweise zu Tragfähigkeitserwägungen. Zu beachten ist, dass langfristige Maßnahmen durch kurzfristige Maßnahmen wie Tilgungsaussetzung, Tilgungsreduzierung, Zahlungsaufschub oder Kapitalisierung von Zahlungsrückständen ergänzt werden können, wenn diese wie oben angegeben zeitlich begrenzt sind.

Liste der gängigsten Forbearance-Maßnahmen

  1. Tilgungsaussetzung
  2. Tilgungsreduzierung
  3. Zahlungsaufschub/- moratorium
  4. Kapitalisierung von Zahlungsrückständen/Zinsen
  5. Zinssenkung
  6. Laufzeitverlängerung
  7. Zusätzliche Sicherheiten
  8. Freihändiger/unterstützter Verkauf
  9. Änderung des Tilgungsplans
  10. Währungsumrechnung
  11. Sonstige Änderung von Vertragsbedingungen/ Covenants
  12. Neue Kreditlinien
  13. Schuldenzusammenfassung
  14. Teilweiser oder vollständiger Schuldenerlass

Die vorstehende Maßnahmenliste ist nicht abschließend. Gegebenenfalls existieren weitere gängige Forbearance-Konzepte, auch aufgrund nationaler Besonderheiten.

Ein Beispiel hierfür ist die in manchen Ländern bei notleidenden Wohnungsbauhypotheken angewandte Split-Loan-Lösung, die sich infolge von Schwierigkeiten bei der Vollstreckung in die zugrunde liegenden Sicherheiten herausgebildet hat.

Solide Forbearance-Prozesse

Aufbauend auf den gegebenen Empfehlungen zur Governance und den Verfahren zur Abwicklung von NPL (z. B. Weiterleitung an getrennte NPL-WUs für Forbearance-Maßnahmen) geht dieser Abschnitt auf weitere Best Practices mit besonderem Bezug zu Forbearance-Prozessen ein.

Keine Forbearance ohne Kapitaldienstfähigkeitsprüfung des Kreditnehmers

Bevor Forbearance-Maßnahmen gewährt werden, sollte der zuständige Kreditsachbearbeiter eine vollständige Prüfung der Finanzlage des Kreditnehmers durchführen. Diese umfasst die Beurteilung aller relevanten Faktoren unter besonderer Berücksichtigung der Kapitaldienstfähigkeit und der Gesamtverschuldung des Kreditnehmers oder der Immobilie/des Projekts. Diese Beurteilung sollte auf der Basis aktueller und geprüfter Finanzdaten erfolgen.

Standardisierte Forbearance-Produkte und Entscheidungsbäume

Das Institut sollte über geeignete Richtlinien und Verfahren verfügen, die eine Auswahl von nachhaltigen und wirksamen Forbearance-Lösungen für den Kreditnehmer vorsehen. Die Portfoliosegmentierung ist zentraler Bestandteil jeder Strategie, weil sie das Institut in die Lage versetzt, unterschiedliche, auf verschiedene Segmente des Kreditbuchs zugeschnittene Forbearance-Lösungen festzulegen.

Vor diesem Hintergrund sollte das Institut in Betracht ziehen, „Entscheidungsbäume“ und entsprechende standardisierte Forbearance-Lösungen (oder „-Produkte“) für heterogene Kreditnehmersegmente mit weniger komplexen Risikopositionen zu entwickeln. Entscheidungsbäume können helfen, für bestimmte Kreditnehmersegmente geeignete und nachhaltige Forbearance-Strategien (und allgemein NPL-Abwicklungsstrategien) konsistent und anhand genehmigter Kriterien festzulegen und umzusetzen. Sie können zudem die Standardisierung von Prozessen erleichtern.

Vergleich mit anderen Abwicklungsoptionen für NPL

Banken sollten einen auf den Nettobarwert (Net Present Value – NPV) gestützten Ansatz verwenden, um die für den jeweiligen Sachverhalt des Kreditnehmers am besten geeignete und nachhaltigste Abwicklungsoption zu ermitteln, d. h. sie sollten den NPV der vorgesehenen Forbearance-Lösung mit dem NPV einer Inbesitznahme und dem NPV anderer möglicher Verwertungsoptionen vergleichen. Die in der Berechnung verwendeten Parameter wie z. B. der unterstellte Zeitraum bis zur Verwertung, der Abzinsungssatz und der Umfang, in dem Kapital- und Verwertungskosten berücksichtigt werden, sollten auf empirischen Daten beruhen.

Die Banken sollten das Spektrum der Abwicklungsoptionen laufend überprüfen und die Realisierbarkeit neuer/alternativer Optionen untersuchen.

Meilensteine und Überwachung bei Forbearance

Der Forbearance-Vertrag und die entsprechende Dokumentation sollten genau definierte Vorgaben zu Meilensteinen/Zwischenzielen enthalten, die vom Kreditnehmer bei der Rückzahlung des Kredits über die Vertragslaufzeit einzuhalten sind. Diese Meilensteine/Zwischenziele sollten glaubwürdig und hinreichend konservativ sein und jedwede potenzielle Verschlechterung der Finanzlage des

Kreditnehmers berücksichtigen. Die für die Gewährung von Forbearance zuständige NPL-WU sollte die Vertragserfüllung seitens des Kreditnehmers einschließlich der Erreichung aller vereinbarten Meilensteine/Zwischenziele zumindest über den Probezeitraum gemäß EBA-Definition genau überwachen.

Die Institute sollten ihre Forbearance-Richtlinien und -Produkte basierend auf der gemeinsamen Überwachung der Entwicklung der verschiedenen Forbearance-Optionen sowie der Untersuchung von potenziellen Ursachen und Fällen von erneutem Ausfall (unzureichende Kapitaldienstfähigkeitsprüfung, Fehler im Forbearance-Produkt, Änderung der Situation des Kreditnehmers, externe makroökonomische Effekte usw.) regelmäßig überprüfen.